AMPLITUDE: Das Handbüchlein für Gärtner:innen – Teil I
Das Fundament – Sensor werden.
Die Kunst, die Realität direkt zu spüren, bevor du versuchst, sie zu verändern.
Lektion 1: dein Körper lügt nicht
(Trainingszeit: 1 Woche, 5 Minuten täglich)
Das Ziel
Am Ende dieser Woche wirst du in der Lage sein, die vier Grundenergien Nebel
, Feuer
, Maschine
und Tanz
als klare, unterscheidbare Empfindungen in deinem eigenen Körper zu identifizieren. Du wirst aufhören, über deinen Zustand nachzudenken, und anfangen, ihn zu fühlen.
Die Theorie: warum dein Körper?
Unser Verstand ist ein Meister des Selbstbetrugs. Unter Druck erfindet er Geschichten, rationalisiert und verdrängt. Er sagt dir, dass „alles unter Kontrolle“ ist, während dein Puls rast. Er sagt dir, dass „alles möglich“ ist, während dein Körper vor Lähmung erstarrt.
Dein Körper hingegen lügt nicht. Er ist ein brutal ehrlicher Resonanzkörper für die Energie des Systems, in dem du dich befindest. Jede organisationale Energie, jede Deadline, jeder Konflikt, jeder Erfolg, erzeugt eine körperliche Reaktion. Eine Enge in der Brust, eine Schwere in den Schultern, ein Kribbeln in den Händen. Diese Empfindungen sind keine Störungen. Sie sind Daten. Die präzisesten Daten, die dir zur Verfügung stehen.
Deine erste Aufgabe als Gärtner:in ist es, zu lernen, diese Daten zu lesen. Du kalibrierst deinen wichtigsten Sensor: dich selbst.
Die tägliche Praxis (5 Minuten)
Führe diese Übung jeden Morgen durch, bevor du deinen Arbeitstag beginnst. Bevor du deine E-Mails liest. Bevor du in das erste Meeting gehst. Es sind die wichtigsten fünf Minuten deines Tages.
1. Der Reset (1 Minute)
Setze dich aufrecht und bequem hin. Stelle beide Füße auf den Boden. Schließe die Augen. Atme dreimal tief und langsam in deinen Bauch ein und aus. Mit jedem Ausatmen lässt du die To-do-Liste, die Sorgen und die Pläne für den Tag bewusst los. Schaffe für einen Moment eine innere Stille.
2. Der Körper-Scan (2 Minuten)
Wandere mit deiner Aufmerksamkeit langsam durch deinen Körper. Fang bei deinen Füßen an und gehe langsam nach oben bis zum Scheitel deines Kopfes. Urteile nicht. Bewerte nicht. Versuche nichts zu ändern. Nimm nur wahr, was da ist. Scanne gezielt nach den vier Signaturen:
- Wo ist Enge, Druck oder Hitze? (Oft in Brust, Schultern, Bauch, Kiefer) Das ist die Signatur von Feuer.
- Wo ist Starre, Festigkeit oder Schwere? (Oft in Rücken, Nacken, Gelenken) Das ist die Signatur von Maschine.
- Wo ist Diffusion, Unklarheit, ein Gefühl von Leere oder „Nicht-Kontakt“? (Oft im Kopf, in den Gliedmaßen) Das ist die Signatur von Nebel.
- Wo ist Kribbeln, Leichtigkeit, ein Gefühl von Fließen oder warmer Verbundenheit? (Oft im Herzraum, in den Händen, im ganzen Körper) Das ist die Signatur von Tanz.
3. Die Diagnose (1 Minute)
Welche dieser Empfindungen ist gerade die lauteste? Welche dominiert deine Wahrnehmung? Gib ihr eine ungefähre Prozentzahl. Schätze dann die Prozentzahlen der anderen Energien.
Beispiel: „Ich spüre eine deutliche Enge in der Brust und einen angespannten Kiefer. Das ist Feuer, vielleicht 60 %. Gleichzeitig fühlen sich meine Schultern schwer und steif an. Das ist Maschine
, vielleicht 30 %. Der Rest fühlt sich eher diffus an. Also: Feuer
60 %, Maschine
30 %, Nebel
10 %, Tanz
0 %.“
4. Das Logbuch (1 Minute)
Trage deine Diagnose sofort in dein Energie-Tagebuch ein. Nur die Zahlen und vielleicht ein oder zwei Stichworte zur Körperempfindung. Keine langen Analysen. Die Daten sind die Wahrheit.
Dein Werkzeug: das Energie-Tagebuch
Kopiere diese einfache Vorlage in ein Notizbuch oder ein digitales Dokument.
WOCHE: _______
MO DI MI DO FR SA SO
Nebel: __% __% __% __% __% __% __%
Feuer: __% __% __% __% __% __% __%
Masch: __% __% __% __% __% __% __%
Tanz: __% __% __% __% __% __% __%
Summe: __% __% __% __% __% __% __%
Körper-Notiz des Tages:
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Das Ziel dieser Woche
Führe diese Übung sieben Tage lang konsequent durch. Am Ende der Woche nimmst du dir 10 Minuten Zeit und schaust auf dein Logbuch. Suche nicht nach Lösungen. Suche nur nach Mustern.
- „Ah, interessant. Montags dominiert immer die
Maschine
-Energie.“ - „Immer wenn ich Meetings mit Team X habe, steigt meine
Feuer
-Energie.“ - „Freitagnachmittags steigt immer die
Nebel
-Energie.“
Das Erkennen dieser Muster ist der erste Schritt zur Meisterschaft.
Du hast diese Lektion gemeistert, wenn …
… dich jemand fragt: „Wie geht es dir?“, und deine erste, innere Antwort nicht mehr „gut“ oder „stressig“ lautet, sondern:
„Ich spüre gerade 70 % Feuer
und 20 % Maschine
.“
Lektion 2: die vier Winde der Veränderung
Das Ziel
Nachdem du die vier Energien in deinem Körper gespürt hast, lernst du in dieser Lektion ihre „Persönlichkeit“ kennen. Du lernst, sie in der Welt zu erkennen – in Projekten, Meetings und ganzen Organisationen.
Die vier Energien im Detail
Nebel
: die Energie des Potenzials
- Beschreibung: Wie ein stiller, dichter Morgennebel. Alles ist möglich, aber nichts ist klar. Es ist die Energie der offenen Frage, des weißen Blattes Papier, des Anfangs.
- Typischer Kontext: Projektstarts, Strategieworkshops, persönliche Neuorientierung, Brainstormings.
- Produktive Seite (+): Kreativität, Offenheit, unbegrenzte Möglichkeiten, Emergenz.
- Destruktive Seite (-): Entscheidungsunfähigkeit, Lähmung, Orientierungslosigkeit, Gefühl der Irrelevanz.
- Typisches Zitat: „Lass uns das erstmal offenhalten.“
- Die Kernfrage: „Was will hier entstehen?“
Feuer
: die Energie der Dringlichkeit
- Beschreibung: Wie ein unkontrolliertes Feuer. Es ist heiß, schnell, gefährlich und verzehrt alles auf seinem Weg. Es schafft Fakten, aber auch Zerstörung.
- Typischer Kontext: Deadlines, Krisen, Produkt-Launches, Kunden-Notfälle.
- Produktive Seite (+): Radikaler Fokus, schnelle Entscheidungen, Beseitigung von Hindernissen, starker Teamzusammenhalt.
- Destruktive Seite (-): Burnout, Fehler, Zerstörung von Vertrauen, Tunnelblick, hohe Kollateralschäden.
- Typisches Zitat: „ASAP! Das muss heute noch raus!“
- Die Kernfrage: „Was ist das Einzige, das jetzt zählt?“
Maschine
: die Energie der Struktur
- Beschreibung: Wie ein präzises, verlässliches Uhrwerk. Jeder Teil hat seinen Platz, jede Bewegung ist vorhersagbar. Sie ist sicher, effizient und skalierbar.
- Typischer Kontext: Operative Prozesse, Qualitätsmanagement, Verwaltung, etablierte Großunternehmen, Bürokratie.
- Produktive Seite (+): Effizienz, Qualität, Verlässlichkeit, Skalierbarkeit, Sicherheit.
- Destruktive Seite (-): Starrheit, Innovationsfeindlichkeit, Bürokratie, Entmenschlichung, Fragilität gegenüber Neuem.
- Typisches Zitat: „So lautet der Prozess.“
- Die Kernfrage: „Wie können wir das optimieren?“
Tanz
: die Energie der Resonanz
- Beschreibung: Wie eine perfekt improvisierende Jazz-Band oder ein Vogelschwarm. Hochgradig koordiniert, aber ohne zentralen Plan. Energie fließt mühelos, das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.
- Typischer Kontext: High-Performance-Teams, gelungene Co-Kreation, intensive kreative Phasen, Momente des „Flows“.
- Produktive Seite (+): Maximale Performance, Kreativität, hohe Motivation, Gefühl der Mühelosigkeit, Synchronizität.
- Destruktive Seite (-): Hoher Energieverbrauch, Gefahr der Exklusivität („Flow-Arroganz“), kann bei Störung abrupt zusammenbrechen.
- Typisches Zitat: „Es läuft einfach!“
- Die Kernfrage: „Wie erhalten wir diesen Rhythmus?“
Lektion 3: das Logbuch des Spürens
Das Ziel
Du lernst, dein Energie-Tagebuch nicht nur als Datenspeicher, sondern als Diagnose-Werkzeug zu nutzen. Du gehst von der reinen Wahrnehmung zur bewussten Mustererkennung.
Die wöchentliche Praxis (15 Minuten)
Nimm dir am Ende jeder Woche 15 Minuten Zeit, um dein Energie-Tagebuch der letzten sieben Tage zu analysieren. Stelle dir dabei folgende Fragen:
1. Zeitliche Muster: was ist mein Wochen-Rhythmus?
- „Gibt es einen typischen Montag-Morgen-Akkord? (z. B. hohe
Maschine
-Energie)“ - „Wie verändert sich meine Energie zum Wochenende hin? (z. B.
Nebel
steigt am Freitag?)“ - „Gibt es einen Tageszeiten-Rhythmus? (z. B. morgens
Tanz
, nachmittagsNebel
?)“
2. Kontext-Muster: was oder wer triggert meine Energie?
- „Welche Meetings erzeugen zuverlässig
Feuer
-Energie?“ - „Welche Menschen oder Aufgaben aktivieren meine
Tanz
-Energie?“ - „In welcher Situation fühle ich mich oft im
Nebel
verloren?“ - „Welcher Prozess fühlt sich immer wie eine starre
Maschine
an?“
3. Amplituden-Muster: was ist meine „Heimat-Energie“?
- „Welche Energie-Amplitude ist fast immer präsent?“
- „Gibt es eine Energie, die in meinem Logbuch fast nie auftaucht? Was sagt das aus?“
- „Neige ich zu einem bestimmten dissonanten Akkord? (z. B. oft
Feuer
undMaschine
gleichzeitig?)“
4. Delta-Muster: wo passieren die größten Sprünge?
- „An welchem Tag gab es die größte Veränderung in den Amplituden?“
- „Was war der externe oder interne Auslöser für diesen Shift?“
- „War dieser Sprung hilfreich oder schädlich?“
Die erste, winzige Intervention
Nachdem du ein klares Muster erkannt hast, formuliere eine einzige Hypothese und eine winzige Störung für die kommende Woche.
- Muster: „Jedes Montags-Planning-Meeting erzeugt bei mir 80 %
Maschine
-Energie und fühlt sich leblos an.“ - Hypothese: „Wenn wir das Meeting anders starten, könnten wir die
Tanz
-Energie wecken.“ - Störung (Perturbation): „Nächsten Montag fange ich das Meeting nicht mit der Agenda an, sondern mit der Frage: ‚Was war der inspirierendste Moment der letzten Woche?‘“
Notiere diese geplante Störung. Am Ende der nächsten Woche überprüfst du, welchen Effekt sie auf deine Energie-Amplituden hatte.
Du hast diese Lestion gemeistert, wenn …
… du dein erstes Muster identifiziert und deine erste, bewusste Störung geplant hast.