AMPLITUDE: Team Playbook – TP.6
Das Konfrontations-Protokoll (Gegnerische Kollaboration).
Die Herausforderung
Dein Team ist harmonisch, synchronisiert und effektiv. Es ist im FLOW
. Aber genau hier lauert die größte Gefahr: die „Gewinnfalle“. Ein Erfolg, der auf Glück oder der Schwäche des Marktes beruht, wird zum Rauschen im eigenen Lernprozess. Das System lernt die falsche Lektion, verwechselt Zufall mit Strategie und kultiviert eine „Flow-Arroganz“ – die Blindheit gegenüber den eigenen Schwachstellen, die durch Konsonanz und Erfolg entsteht. Das System wird robust, aber nicht antifragil.
Dieses Protokoll ist eine Form der „gegnerischen Kollaboration“. Es ist eine bewusste, kontrollierte Injektion von STORM
- und LOCK
-Energie, um die eigenen Hypothesen einem Stresstest zu unterziehen. Es ist das Manöver, das die Frage „Wie können wir gewinnen?“ durch eine unerbittlichere ersetzt: „Unter welchen Bedingungen wäre unser Scheitern absolut unausweichlich?“
Voraussetzungen
⚠️ WARNUNG: Dieses Protokoll ist kein Werkzeug für Systeme mit geringer psychologischer Sicherheit. Es erfordert ein hohes Maß an Vertrauen und Meisterschaft in den Protokollen TP.1 bis TP.5. Falsch angewendet, kann es massive STORM
-Frequenzen erzeugen und Vertrauen zerstören.
Das Protokoll: „Force-on-Force-Analyse“
Frequenz: Einmal pro Quartal oder vor jeder strategisch wichtigen Entscheidung.
Dauer: 60-90 Minuten.
Phase 1: Vorbereitung & Rollenverteilung (15 Min)
- Hypothese definieren: Das Team einigt sich auf die eine, klare Hypothese, den Plan oder die Strategie, die getestet werden soll.
- Team-Teilung: Das Team wird in zwei Gruppen geteilt:
- Blue Team: Die Verteidiger. Ihre Aufgabe ist es, die Hypothese so überzeugend wie möglich zu präsentieren und zu begründen.
- Red Team: Die Angreifer. Ihre Aufgabe ist es, die Hypothese mit allen Mitteln zu zerstören.
- Container schaffen: Der:die Dōjō-Meister:in rahmt die Übung explizit als Simulation: „Für die nächsten 60 Minuten sind wir nicht mehr Kolleg:innen. Wir sind gegnerische Kollaborateur:innen. Das Ziel ist nicht, persönlich zu gewinnen, sondern als Gesamtsystem zu lernen. Nach 60 Minuten legen wir die Rollen wieder ab.“
Phase 2: Der Angriff (30 Min)
- Blue Team präsentiert (10 Min): Das Blue Team stellt seine Hypothese und die zugrundeliegenden Annahmen vor.
- Red Team attackiert (20 Min): Das Red Team hat die alleinige Aufgabe, die Schwachstellen aufzudecken. Es agiert als institutionalisierter Anwalt des unendlichen Spiels und verhindert, dass das Team ein finites Spiel mit einer fragilen Strategie „gewinnt“. Es nutzt dabei das gesamte
AMPLITUDE
-Arsenal:- Cynefin/Wardley: „Ihr wendet eine
LOCK
-Lösung auf ein Genesis-Problem an.“ - Engpass-Analyse: „Euer Plan ignoriert den wahren Engpass, nämlich…“
- Constraint-Analyse: „Euer Plan funktioniert nur, weil ihr von drei unrealistischen externen Constraints ausgeht.“
- Double Bind: „Ihr verlangt von uns, schnell zu sein und perfekt.“
- Big Assumption: „Die gesamte Hypothese basiert auf der ungetesteten Annahme, dass…“
- Constraint: Das Blue Team darf sich nicht verteidigen. Seine Aufgabe ist nicht Rechtfertigung, sondern Aufklärung. Es darf nur zuhören, Notizen machen und klärende Fragen stellen, um die Perspektive der Angreifer zu verstehen.
- Cynefin/Wardley: „Ihr wendet eine
Phase 3: Synthese & Antifragilität (15-45 Min)
- Rollen ablegen: Der:die Facilitator:in beendet die Simulation explizit. Kurze Pause, um aus den Rollen herauszukommen.
- Synthese-Fragen:
- „Was war der tödlichste, treffendste Angriff des Red Teams?“
- „Was war der größte blinde Fleck des Blue Teams?“
- „Welche unserer Grundannahmen hat sich als Hoffnungsschach entpuppt – ein Zug, der nur funktioniert, wenn der Gegner einen Fehler macht?“
- „Wie macht uns das Wissen um diese Schwachstelle jetzt stärker und unsere Hypothese robuster?“
- „Welche Constraint-Modulation müssen wir jetzt vornehmen, um unseren Plan antifragil zu machen?“
- Wissens-Integration: Die Erkenntnisse werden dokumentiert, der Plan wird angepasst.
Praxis-Imperativ dieser Woche
Eure Mission ist eine forensische Autopsie eines Erfolgs. Wählt eine alte, bereits abgeschlossene Entscheidung aus der Vergangenheit, die zu einem positiven Ergebnis geführt hat. Führt das Konfrontations-Protokoll durch. Teilt das Team in ein Blue Team, das die ursprüngliche Entscheidung mit den damaligen Argumenten verteidigt, und ein Red Team, das sie mit dem Wissen von heute angreift. Das Ziel ist nicht, die Vergangenheit zu kritisieren, sondern die „Gewinnfalle“ zu vermeiden und die Fähigkeit zur rigorosen Selbstbefragung als kollektive Kompetenz zu trainieren.