Prolog: Eine Einladung an Gärtner:innen

Was, wenn die Lösung für komplexe Probleme nicht in einem neuen, besseren Modell liegt? Was, wenn sie nicht in mehr Daten, mehr Analyse oder einem klügeren Plan zu finden ist?

Was, wenn die Antwort in einer Fähigkeit liegt, die du bereits besitzt, aber verlernt hast zu nutzen?

Unsere moderne Arbeitswelt hat uns zu Architekt:innen erzogen. Wir entwerfen Pläne, bauen komplexe Maschinen aus Prozessen und versuchen, die unordentliche Realität in unsere eleganten Diagramme zu zwingen. Und wir scheitern. Wir scheitern, weil lebende Systeme wie Teams, Organisationen oder Märkte keine Maschinen sind. Sie sind Gärten. Unvorhersehbar, organisch, voller verborgener Kräfte.

Architekt:innen, die versuchen, einen Garten zu entwerfen, werden scheitern. Sie werden Betonwege bauen, wo Pfade entstehen wollen, und quadratische Beete anlegen, wo das Leben in Kurven wächst.

Dieses Handbüchlein ist eine Einladung, die Architekt:innen in uns für eine Weile ruhen zu lassen und die Gärtner:innen zu wecken.

Gärtner:innen haben keine allumfassende Karte. Sie haben schmutzige Hände. Sie verlassen sich nicht auf einen Plan, sondern auf ihre Fähigkeit, den Boden, das Wetter und die Pflanzen zu spüren. Sie versuchen nicht, das Wachstum zu kontrollieren. Sie schaffen die Bedingungen, unter denen Wachstum von selbst geschehen kann. Sie steuern nicht, sie kultivieren. Sie befehlen nichts, sie laden ein.

Dieses Handbüchlein wird dir kein neues, komplexeres Modell geben, das du auf die Welt anwenden kannst. Im Gegenteil. Es wird dir helfen, die meisten Modelle, die du kennst, beiseitezulegen. Es wird dir keine Antworten geben. Es wird dir eine Praxis lehren. Eine Praxis, die auf einer einfachen, fast schon vergessenen Wahrheit beruht: Der präziseste Sensor für die Komplexität eines Systems ist nicht dein Verstand. Es ist dein Körper.

Der Weg der Gärtner:innen ist ein Weg der radikalen Vereinfachung. Er besteht aus drei simplen Schritten:

  1. Spüre, welche Energie im System gerade dominant ist.
  2. Störe das System sanft, wenn es feststeckt.
  3. Beobachte mit Neugier, wie es sich selbst neu organisiert.

Das ist alles.

Dieses Handbüchlein ist dein Dōjō, dein Trainingsplatz. Am Ende wirst du nicht mehr wissen als zuvor. Aber du wirst mehr sehen. Und du wirst den Mut haben, weniger zu tun – und damit mehr zu bewirken.

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