Einführung: Hüter:in des Raumes, nicht Meister:in des Inhalts

Deine schwierigste und wichtigste Aufgabe als Dōjō-Meister:in ist die Facilitation der Team-Protokolle. Deine Rolle ist hier nicht, die „richtige“ Diagnose zu stellen oder die „beste“ Lösung vorzuschlagen.

Deine einzige Aufgabe ist es, den Prozess zu halten und die Constraints des Protokolls zu schützen, damit das Team seine eigenen Einsichten generieren kann. Du bist der:die Dirigent:in, der:die den Takt hält und den Raum für die Musik schafft, aber du spielst kein einziges Instrument selbst. Deine Grundhaltung ist die des Motivational Interviewing: Du weckst die Weisheit im System.


Facilitation des Synchronisations-Protokolls (TP.1)

Ziel: Einen sicheren Raum zu schaffen, in dem alle Wahrnehmungen ohne Urteil geäußert werden können. Das Ziel ist maximale Daten-Sammlung, nicht Konsens.

Typische Fallstricke: Das Team fängt sofort an zu diskutieren; abweichende Meinungen werden unterdrückt.

Konkrete Interventionen:

  • Schütze den Suspension-Constraint: Unterbrich jede Diskussion während des „Voicings“ sofort und freundlich: „Danke für den Impuls. Lasst uns das für die Synthese-Phase parken.“
  • Lade Dissonanz explizit ein: „Ich bin besonders neugierig auf die Wahrnehmungen, die von der Mehrheit abweichen.“

Facilitation des Dissonanz-Protokolls (TP.2)

Ziel: Das Team davon abzuhalten, in die „Wer hat recht?“-Falle zu tappen, und den Fokus auf die Meta-Ebene zu lenken: „Was sagt uns der Konflikt über unser System?“

Typische Fallstricke: Der Konflikt wird persönlich; das Team springt zu einem schnellen Kompromiss; die entscheidenden Tetralemma-Positionen 4 und 5 werden übersprungen.

Konkrete Interventionen:

  • De-Personalisiere: „Das ist kein Konflikt zwischen A und B. Es ist ein Konflikt zwischen zwei validen Hypothesen.“
  • Erzwinge die Erkundung von Position 4 & 5: „Okay, wir verstehen jetzt 1, 2 und 3. Lass uns jetzt für fünf Minuten so tun, als wären sie alle falsch. Was ist die verrückte Hypothese?“

Facilitation des Ensemble-Protokolls (TP.3)

Ziel: Dem Team helfen, seinen Spielmodus als bewusste, strategische Antwort auf die externen Frequenzen zu wählen.

Typische Fallstricke: Das Team verfällt aus Gewohnheit in seinen Standard-Modus (oft LOCK oder STORM), ohne die externe Realität zu berücksichtigen.

Konkrete Interventionen:

  • Verbinde mit der Diagnose: Fange immer mit dem Ergebnis aus TP.1 an: „Das externe Klangbild hat eine hohe FLOAT-Frequenz. Welcher unserer drei Ensemble-Modi ist die beste Antwort darauf?“
  • Mache die Constraints explizit: „Okay, wir wählen ‚Free Improvisation‘. Das bedeutet für diese Woche: welche Governing Constraints lockern wir konkret?“

Facilitation der Modulations-Werkstatt (TP.4)

Ziel: Das Team diszipliniert durch den Prozess von der Diagnose zur testbaren Interventions-Hypothese führen.

Typische Fallstricke: Das Team springt von der Engpass-Definition direkt zur Lösungsdiskussion; die formulierte „Wette“ ist zu groß, zu vage oder nicht messbar.

Konkrete Interventionen:

  • Halte den Prozess: Sei der unerbittliche Hüter der vier Schritte. „Danke für die Idee, aber wir sind noch bei der Hebel-Analyse. Kommen wir gleich dazu.“
  • Schärfe die Wette: Fordere die Kriterien für ein gutes Experiment ein (klein, sicher, reversibel, messbar). „Wie genau messen wir, ob diese Constraint-Modulation erfolgreich war?“

Facilitation des Resilienz-Protokolls (TP.5)

Ziel: Einen Raum zu schaffen, in dem Scheitern als wertvolle Lern-Gelegenheit gefeiert werden kann.

Typische Fallstricke: Das Protokoll wird zu einer versteckten „Blame-Session“; die STORM-Energie (Frust, Scham) wird unterdrückt.

Konkrete Interventionen:

  • Beginne mit GfK (siehe P.4): Starte mit einer Runde über Gefühle und Bedürfnisse, bevor die Analyse anfängt: „Wie fühlt sich dieses Scheitern für dich an?“
  • Erzwinge den Fokus auf die Hypothese: Bringe die Diskussion immer wieder auf die ursprüngliche Wette zurück: „Was war falsch an unserer Annahme, nicht daran, wer was getan hat?“
  • Feiere die Einsicht: Beende das Protokoll, indem du das Team die gewonnene Einsicht als Erfolg feiern lässt.

Facilitation des Konfrontations-Protokolls (TP.6)

Ziel: Maximale psychologische Sicherheit in einer Situation maximaler, aber simulierter Konfrontation gewährleisten.

Typische Fallstricke: Die Konfrontation wird persönlich; das Blue Team geht in die Verteidigung; der Red-Team-Angriff ist nicht fundiert, sondern nur aggressiv.

Konkrete Interventionen:

  • Rahmen und ent-rahmen: Sei extrem klar über Anfang und Ende der Simulation. „Die Simulation fängt jetzt an. Ihr seid nicht mehr Kolleg:innen.“ Und danach: „Die Simulation ist beendet. Wir sind wieder ein Team.“
  • Schütze den Blue-Team-Constraint: Unterbrich sofort und konsequent, wenn das Blue Team anfängt, sich zu verteidigen. „Danke. Eure Aufgabe ist nur, zuzuhören und Notizen zu machen.“
  • Fordere Red Team heraus: „Das ist eine Behauptung. Mit welchem Werkzeug aus unserem Kompendium untermauerst du diesen Angriff?“

Praxis-Imperativ dieser Woche

Deine Mission als Dōjō-Meister:in ist es, zu üben, den Prozess zu halten. Wähle ein einfaches Protokoll aus dem Team Playbook (z. B. das Klangbild-Synchronisations-Protokoll TP.1). Biete deinem Team an, es für 15 Minuten als Experiment zu facilitieren. Deine einzige Aufgabe ist es, den Prozess zu halten und die Constraints des Protokolls zu schützen. Reflektiere danach: Was war für dich als Facilitator:in am schwierigsten? Wo wurdest du in die Inhalts-Diskussion gezogen? Was sagt das über deine eigene Immunity?